Seidengeschichte

Satin, Brokat, Taft, Chiffon - all das sind Seidenstoffe verschiedener Webarten.

Die erste Seide wurde in China gewebt. Seidenraupen wurden hier bereits etwa 3000 v. Chr. gezüchtet. Später erlangte der edle Stoff in weiten Teilen der Welt außerordentliche wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung. Zunächst war die Seide im Alten China Privileg der kaiserlichen Familie, später durften auch Adelige und Kaufleute Seidengewänder tragen.

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Etwa um 300 v. Chr. etablierten diese dann in Japan eine Seidenindustrie, die bis vor kurzem die weltweit bedeutendste war. Auch nach Indien und Persien breitete sich das Gewerbe aus. Die westliche Welt erfuhr erst nach der Eroberung Persiens und Indiens unterAlexander dem Großen um 400 v. Chr. von der Existenz des kostbaren Gewebes, wusste aber noch nicht um das Geheimnis seiner Herstellung. Der Eroberer betraute deshalb eine Gesandtschaft griechischer Gelehrter, sich das Wissen zur Bereicherung der griechischen Kultur zu verschaffen. Die erlangten Erkenntnisse reichten jedoch noch nicht aus, um in Griechenland selbst Seidenraupenzucht betreiben zu können.

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Um 176 v. Chr. wurde die Seidenstraße eröffnet, die fast 10.000 km lange Handelsroute, die mit mehreren Karawanenstraßen China über Zentralasien und Indien mit dem Römischen Reich verband und über die neben zahlreichen anderen Handelsgütern auch Rohseide in den Westen gelangte. Seidenstoffe waren begehrte Luxusgüter, die zum Teil mit Gold aufgewogen wurden, wobei 1 Kilo Seide mit einem Kilo Gold aufgewogen wurde.

Bis ins 5. Jh. n. Chr. blieb die Seidengewinnung ein chinesisches Monopol.
Verschiedene Geschichten berichten darüber, wie die Seidenraupe in den Westen gelangte.
Eine der bekanntesten ist die des Fürsten von  Kothan, der, um das Geheimnis der Seidenkunst für sich zu gewinnen, um die Hand einer kaiserlichen Prinzessin anhielt.
Nachdem der Kaiser von China seine Einwilligung gegeben hatte, ließ der Fürst seiner zukünftigen Gemahlin ausrichten, daß es in Kothan weder Maulbeerbäume noch Seidenraupen gebe und sie Eier und Samen mitbringen müsse, wenn sie weiterhin Seidenkleider tragen wolle.
Die Prinzessin entwendete daraufhin unbemerkt Maulbeerbaumsamen und Seidenspinnereier, die sie in ihrer aufgetürmten Frisurverbarg und somit nach Kothan brachte.
Eine weitere Quelle berichtet von  zwei nestorianischen Mönchen (Apostolische Kirche des Ostens ), die 522 nach Chr. von Kothan nach Byzanz (oströmisches Reich) wanderten und in ihren Stöcken Eier des Seidenspinners Bombyx mori und Samen des Maulbeerbaumes, der ausschließlichen Futterpflanze der Raupen, von China ins Oströmische Reich zu schmuggeln, was unter Todesstrafe verboten war. Schnell etablierte sich daraufhin in ganz Europa die Seidenzucht, die Raupen waren allesamt Nachkommen der geschmuggelten Tiere.
Mit dem Wissen um die Seidenherrstellung im Westen, war das chinesische Monopol gebrochen. Auch wenn die Qualität der chinesischen Seide noch lange Zeit unübertroffen blieb.
Die Bedeutung der Seidenstraße nahm im 15. Jh., durch die starke Entwicklung des Überseehandels, schnell ab. In die Neue Welt gelangte das Gewerbe unter James I. von England, erlangte hier aber keine große Bedeutung. Man verlegte sich lieber auf die Stoffherstellung aus importierter Rohseide.

Europäische Seidenmetropolen
Als man in Byzanz wusste, wie die Chinesen Seide herstellen, konnten es auch bald die Griechen und die Araber. Die Araber gründeten ihre Werkstätten im achten Jahrhundert in Spanien. So waren auch die Spanier eingeweiht. Von den Arabern erfuhren es um 950 nach Christus auch die Italiener. In Palermo wurde die erste Werkstatt für Seidenstoffe und Seidengewänder gegründet. Die nächsten Seidenzentren waren in Lucca und Venedig. Dann Florenz, Genua, Pisa und Bologna. Das Geschäft mit der Seide blühte. Bis ins 16. Jahrhundert blieb Italien führend in der Seidenproduktion. Die Italiener entwarfen die schönsten und aufwändigsten Muster.

Anfangs importierten die Franzosen die italienische Seide. Der wichtigste Umschlagplatz war Lyon. Die Nachfrage nach Seide stieg aber immer mehr an. Da ließ Louis XI. im Jahre 1470 eine eigene Seidenproduktion

aufbauen. Rohseide wurde importiert und italienische Weber mit lukrativen Angeboten nach Frankreich gelockt. Eigene Webmuster gab es nicht, man kopierte die italienischen. Das änderte sich, als das Musterweben mit einem verbesserten Webstuhl leichter wurde. Damit erlebte die französische Seidenproduktion einen riesigen Aufschwung.

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Während des Zweiten Weltkriegs bestand großer Bedarf an Seide zur Herstellung von Fallschirmen. Man versuchte sogar, andere Schmetterlingsarten zu nutzen, allerdings mit geringem Erfolg. Mittlerweile haben synthetische Fasern die aufwendig und teuer herzustellende Seide in vielen Bereichen ersetzt. Seidenstoffe besitzen aber Eigenschaften, die sie nach wie vor attraktiv und begehrt machen: Seide ist leicht und bequem, isoliert gut und ist im Sommer kühl und im Winter warm (die Faser soll die Schmetterlingspuppe schließlich vor widrigen Witterungseinflüssen schützen)! Außerdem ist der Glanz und Schimmer des Gewebes unvergleichlich, und Seide lässt sich sehr gut und in leuchtenden Tönen einfärben. Heute ist Chinain der Seidenproduktion weltweit führend, gefolgt von Indien, Südkorea, Indonesien, Brasilien, Thailand und Usbekistan. In Europa erzeugt nur noch Italien nennenswerte Mengen an Rohseide.

Tod der Raupen - Geburt der Chemieindustrie
Mitte des 19. Jahrhunderts mussten die italienische und die französische Seidenproduktion einen schweren Rückschlag hinnehmen: Ab 1854 vernichtete die so genannte Fleckenkrankheit die Seidenraupen in ganz Europa. Ein Mittel dagegen gab es nicht. Der französische Bakteriologe Louis Pasteur forderte alle Tiere zu töten. Dann solle man gesunde Tiere aus Asien holen und damit neu züchten. Zukünftig solle man vor allem auf eine bessere Hygiene achten. Das war die einzige Lösung, aber sie ruinierte viele Betriebe.

Zur gleichen Zeit erfuhr dagegen eine andere Industrie durch die Lyoner Seidenfärber den entscheidenden Anstoß: Bis zu dieser Zeit färbte man hauptsächlich mit Pflanzenfarben. Als 1856 der junge Engländer William Henry Perkins den ersten synthetischen Anilin-Farbstoff herstellte, wollte den im konservativen England keiner haben. Die Lyoner Seidenfärber aber waren begeistert. Der violette Farbstoff "Mauvein" wurde um 1860 zur Modefarbe. Es begann ein Ansturm auf neue Anilin-Farben. Farbenfabriken wurden gegründet: die Badische Anilin und Sodafabrik BASF, die Farbwerke Höchst, die Aktiengesellschaft für Anilinfarben-Fabrikation AGFA. In der Schweiz gründete der Seidenweber Alexander Clável das Chemiewerk CIBA. Somit trugen die Seidenfärber entscheidend zur Gründung der europäischen Chemieindustrie bei.

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Seide aus deutschen Landen
Auch deutsche Könige und Fürsten gefielen sich in Seide. Sie kauften luxuriöse französische und italienische Seidenstoffe. Friedrich der Große wollte es billiger haben. Er ließ Maulbeerplantagen und Seidenraupen-Zuchtanlagen bauen.

Auch am Rhein wollten sich Kurfürsten in Seide kleiden. Die teuren Importe schwächten die Wirtschaft des Landes. Bei Bacharach und Kaub sollten Tausende von Maulbeerbäumen in die Weinberge gepflanzt werden. Das Projekt scheiterte, die Winzer wehrten sich: Wenn die Maulbeerbäume in die Weinberge gepflanzt würden, stünden die Trauben im Schatten. Nur in Rüdesheim klappte es 1876 mit der Bepflanzung. Doch die Zucht der Seidenraupen wollte keiner übernehmen - zu mühselig sei die Pflege des "Gewürms". Ab 1934 gab es in Deutschland Bestrebungen, sich vom Ausland unabhängig zu machen. Die Seidenproduktion wurde wieder aufgenommen. Man brauchte Fallschirmseide für den Kriegsfall. Konkurrenzfähig wurde die deutscheSeidenindustrie allerdings nie.